Nachruf Thomas Mosimann

Mit großer Trauer und Anteilnahme nehmen wir Abschied von unserem geschätzten akademischen Lehrer, Kollegen und ehemaligen Institutsleiter Prof. Dr. Thomas Mosimann, der am 22.01.2023 im Alter von 71 Jahren verstarb.

Thomas Mosimann wurde 1988 als Universitätsprofessor auf den Lehrstuhl für Physische Geographie am Geographischen Institut der Universität Hannover (heute Leibniz Universität Hannover) berufen. Die mit seiner Berufung verbundene Neuausrichtung der hannoverschen Physischen Geographie zu einer modernen geoökologisch-landschaftsökologischen Forschung spiegelte sich fortan namensgebend in der von ihm geleiteten Abteilung für Physische Geographie und Landschaftsökologie und dem später daraus hervorgegangenen gleichnamigen Institut wider. Letzteres leitete er bis zu seinem Ruhestand im Jahr 2014.

Mit der Berufung von Thomas Mosimann hielten nicht nur neuartige methodische Ansätze, wie die untrennbar mit seinem Namen verbundene „Landschaftsökologische Komplexanalyse“ Einzug in die Forschungs- und Lehrtätigkeit am Institut, sondern auch modernstes Messequipment. In diese Zeit fällt auch der Beginn der geographischen Informationsverarbeitung mit Geographischen Informa­tionssystemen. Mit dem Auflegen der „Geosynthesis“-Reihe wurde der seinerzeit eingeleitete Auf­bruch zu einer modernen integrativ arbeitenden landschaftsökologischen Forschung an der Universität Hannover nach außen hin offenbar. Auch in der Lehre setzte er sein Verständnis von einer integrativen Geographie konsequent um. So war es ihm bereits in den Grundlagenveranstaltungen zur Physischen Geographie wichtig, Landschaftsstrukturen und -prozesse in ihrem kausalen und systembezogenen Kontext zu betrachten und nicht in Form einer Buchbindersynthese als Nebeneinander einzeldisziplinärer Sichtweisen.

Dem Umbau der Diplomstudiengänge in das Bachelor-Master-System stand Thomas Mosimann kri­tisch gegenüber. Dennoch verstand er es, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen mit dem Master­studiengang Landschaftswissenschaften einen attraktiven, einmaligen und von einer großen Fächervielfalt getragenen Studiengang an der Universität Hannover zu gestalten.

Auf das Zählen der Einzeltitel eines überaus bemerkenswerten Publikationsverzeichnisses soll an die­ser Stelle ebenso verzichtet werden, wie auf das bloße Auflisten der zahlreichen ehrenamtlichen Tä­tigkeiten und Funktionen in Fachverbänden sowie als Fachgutachter. Beeindruckender als die reine Zahl an Fachpublikationen ist die inhaltliche Breite der Arbeiten von Thomas Mosimann. Sie erstreckt sich von konzeptionellen und methodischen Beiträgen zur landschaftsökologischen Prozessforschung in unterschiedlichen Regionen Nord-, Mittel- und Südeuropas in der frühen Phase seines Schaffens, über stadtklimatologische Fragestellungen und die Bodenerosionsforschung bis zur Entwicklung praxistauglicher Konzeptionen für den Landschafts- und Bodenschutz sowie der wissensbasierten Modellierung von Bodeneigenschaften in den späteren Jahren. In seiner Forschung und in der Lehre maß er der Feldarbeit stets eine besondere Bedeutung zu – geographisches Wissen galt es im Gelände zu erarbeiten, Zusammenhänge in der Landschaft vor Ort zu begreifen. Seine außergewöhnlichen Exkursionen wie die „Geotraverse durch Europa“, die atem(be)raubenden Fahrradexkursionen durch die Alpen und die zahlreichen didaktisch innovativen Studienprojekte haben Generationen von Studierenden begeistert. So auch in Griechenland auf der Kykladeninsel Naxos, wo er mit den Gemeinden kooperierte und mit seinen Studierenden Lösungswege für eine nachhaltige Regionalentwicklung im Tourismus und in der Landwirtschaft suchte. Unvergessen bleibt seine Zusammenarbeit mit dem Widerstandskämpfer und lokalen Politiker Manolis Glezos beim Bau kleiner Dämme seiner Gemeinde zum Grundwasserschutz in historischen Kulturlandschaften im Bergland von Naxos.

Ein besonderes Anliegen war ihm der Transfer wissenschaftlicher Erkenntnis und methodischer Neu­erungen in die Praxis - sei es zum Zwecke multifunktionaler Landschaftsbewertungen, der Integration klima- und immissionsökologischer Belange in die Umweltplanung oder der Abschätzung des Bo­denabtrages und damit zusammenhängender Gefährdungen der Bodenfruchtbarkeit. An der Schnittstelle Forschung-Praxis hat er jungen Start-ups – damals in der Geographie ein Novum – einen inhaltlich fundierten, risikoarmen Schritt in die Selbständigkeit ermöglicht.

Thomas Mosimann verstand es meisterhaft, selbst komplexeste Zusammenhänge in einer für Praktikerinnen und Praktiker wie für Studierende verständlichen Form zu kommunizieren. Das Buch „Erd-reich“ als Produkt seiner langjährigen und vielfältigen Forschungstätigkeit im „Baselbiet“ zeigt dies beispielhaft und ist wie der 2021 erschienene Exkursionsführer „Landschaft, Karstquellen und Wasserversorgung im Kettenjura“ Ausdruck seiner tiefen Verbundenheit mit seiner Heimat.

Thomas Mosimann ist bis an sein viel zu frühes Lebensende mit Leib und Seele Geograph geblieben. Mit seinem Eintritt in den Ruhestand war er jedoch froh, den zunehmend bürokratischen Universitätsbetrieb hinter sich zu lassen, in der Zuversicht, dass „das Fachliche bleibt“.

Nicht nur das fachliche Wirken wird bleiben - wir werden Thomas Mosimann als einen positiv unan­gepassten, humorvollen Kollegen und Lehrer in Erinnerung behalten, der es verstand, seine Begeis­terung für sein Fach und sein Verständnis von Landschaftsökologie an uns weiterzugeben.

Für seine Schüler, Schülerinnen, Kolleginnen, Kollegen, sein hannoversches Team und seine Freunde

Prof. Dr. Rainer Duttmann

Prof. Dr. Benjamin Burkhard

Prof. Dr. Gerald Kuhnt

Dr. Jens Groß

Dr. Bastian Steinhoff-Knopp

Peter Trute

Klaus Windolph